Auszüge aus Eberhard Sauer, Der Adel während der Besiedlung Ostpommerns, Stettin 1939

Dissertation Universität Göttingen, 1937

Die Arbeit befasst sich im Teil I mit den wichtigsten Vertretern der Geschichtsschreibung über den ostpommerschen Adel des Mittelalters.

Im folgenden werden Auszüge ab S. 56 zitiert:

"Für die Zeit um die Wende zum 19. Jahrhundert arbeiteten in ihrer amtlichen Eigenschaft an Stammtafeln für adlige Familien Zitelmann und Schulz. Johann Georg Zitelmann wurde 1762 zu Stettin geboren und starb im Jahr 1822 als Kriminalrat und Lehnssekretär am Oberlandesgericht seiner Vaterstadt. Otto Ernst Schulz war Kammersekretarius und Achivarius bei der Kriegs- und Domänenkammer zu Stettin, wo er im Jahre 1784 starb.

Ihr Nachlass ist äußerlich zwar sehr umfangreich, aber inhaltlich für die Nachrichten des Adels im Mittelalter nicht zu gebrauchen. Es sind nur für wenige Familien zusammenhängende Stammtafeln aufgestellt, die zudem noch außerordentlich unzuverlässig sind. Ein Vergleich der Stammtafeln z. B: der Below wird dies beweisen; dadurch wird die Arbeitsweise gekennzeichnet: So setzt Zitelmann die Zeitangaben vorsichtiger als der Vorgänger und läßt die Ortsbezeichnungen fort. Trotzdem unterlaufen ihm die gleichen Fehler wie seinem Gewährsmann. Von 1340 bis 1523 hat er fünf Geschlechterreihen. Dabei setzt er den Sohn zum Jahr 1411, dessen Vater erst 1488 genannt wird. Andere Stammtafeln zeigen diesen Fehler nicht, tragen aber den Stempel der Familienüberlieferung und werden für das Mittelalter dementsprechend ungenau. Für seine Zeit hat er eifrig Angaben gesammelt, jedoch auch diese nur selten zu Stammtafeln verwertet.

Für die Jahre bis 1450 ist also auch Zitelmann von der bisherigen Überlieferung abhängig. Urkundenkenntnis kann auch ihm auf keinen Fall nachgerühmt werden. Für die lehnsrechtlichen Nachweise standen ihm die umfangreichen Verzeichnisse und Verhandlungsniederschriften des Lehnsgerichts zur Verfügung, die er offenbar in reichem Maße benutzt hat.

Aus diesen können aber mit Sicherheit nur Stammtafeln einzelner Familien von der Mitte des 15. Jahrhunderts an aufgestellt werden. Dies hat er auch reichlich getan; denn in seinem Nachlaß finden sich Zusammenstellungen dieser Art außerordentlich zahlreich. Dasselbe gilt von der Arbeit, die Schulz hinterließ.

Erst um die Mitte des Jahrhunderts greifen die beiden Forscher Klempin und Kratz die Adelsgeschichte wieder auf. Sie kommen aus der Wissenschaft und suchen deren Fragen zu beantworten. Sie sind Nachfolger der Zitelmann und Schulz als Archivare des Staatsarchivs zu Stetin und werden durch mannigfaltige Anfragen und durch den sorgfältigen Fleiß beim Bearbeiten der Urkunden, die sie herausgeben wollten, auf die Adelsgeschichte aufmerksam geworden sein. Sie tragen zunächst alle erreichbaren Urkunden zusammen. Dabei ist bei beiden Forschern die Kenntnis an Urkunden und Akten zu bewundern, weil ihnen noch nicht die Bestände an einem Ort zur Verfügung standen, wie es heute der Fall ist. Sie betreuten zunächst nur die Akten der Provinzial- und Staatsbehörden. Alle Sondersammlungen, wie z. B. von Stiften und Städten, mußten sie erst anfordern oder an deren Aufbewahrungsort durchsehen. Als schöne Frucht der Tätigkeit Klempins haben die schon 1859 erschienenen "Diplomatischen Beiträge zur Geschichte Bogislaws X." und der erste Band des pommerschen Urkundenbuches zu gelten. Damit werden die Arbeiten von Dreger, Hasselbach und Kosegarten fortgesetzt, bedeutend erweitert und verbessert.

Viel wichtiger aber als das Ergebnis dieser Forschungen zur allgemeinen Landesgeschichte ist wohl der Fortschritt auf dem Gebiet der Adelsgeschichte, den wir den beiden Forschern verdanken. Klempin gab mit Kratz' Unterstützung die "Matrikeln und Verzeichnisse zur Geschichte der pommerschen Ritterschaft" (1863) heraus. Hier zeigt sich nach dem Vorbild des 18. Jahrhunderts der deutliche Wille, unabhängig von Überlieferung und Rücksichtsnahme auf die besonderen Wünsche einer Familie zunächst die Herkunft der Geschlechter einer Landschaft auf Grund von Urkunden zu erforschen. Dies gelingt Klempin für einzelne rügensche Familien vorzüglich. Diese Untersuchung sollte nach dem Vorwort nur eine erste Veröffentlichung sein, "da eine später zu edirende Arbeit über den Ursprung des pommerschen Adels, welche in vollständiger Weise für ganz Pommern dasselbe leisten soll, was hier für die Rügensche Ritterschaft versucht ist". Es ist daher um so bedauerlicher, daß ein frühzeitiger Tod dem Gelehrten die Herausgabe eines solchen Werkes (das heute noch fehlt) nicht mehr erleben ließ, weil er (wie er an der gleichen Stelle angibt) "auf diese spätere Arbeit gleichfalls verweisen muß, wenn die Genealogen sowohl über die Frage nach dem Wert der Wappen für die Erkenntnis der Abstammung, als auch über eine ihnen vielleicht ganz neue Theorie vom Generationsnexus der einzelnen Familien nur Adeutungen finden".

Diesen vorzüglichen Grundsätzen reiht sich die Arbeitsweise der Forschung der vergangenen Jahrhunderte an: Gleichheit des Wappens, des Namens und längerer Besitz eines Gutes gelten als sichere Beweise der Abkunft. Leider sind von Klempin keine Stammtafeln gedruckt worden. Die Stammtafeln des Herzogshauses hat sein Nachfolger von Bülow herausgegeben. Aus diesen lassen sich im Vergleich mit den breiteren Ausführungen im pommerschen Urkundenbuch die Arbeitsgrundsätze ersehen, die sich auch in den Gutachten an einzelne Adelsfamilien wiederspiegeln. Auf die Überlieferung nimmt er nicht die geringste Rücksicht. Aber die oben angegebene Arbeitsweise und die umfassende Kenntnis der Urkunden verleiten ihn zu Verbindungen, die den klaren Wortlaut der Urkunden verlassen und damit angreifbar werden.

Wir wissen nicht, ob Klempin seine Forschungsergebnisse als endgültig ansah. Da sein Mitarbeiter Kratz (A.D.B. Bd.51 S.360: Gustav Adolf K. geb. am 19. 11. 1829 in Wintershagen (Kr. Stolp), seit 1858 am Archiv, gest. am 7. 11. 1864 zu Stettin) dieselbe Meinung vertrat und sie in dem Urkundenbuch der Kleist (Bd. I 1862) im Druck erscheinen ließ, sind wir zu dieser Annahme berechtigt. Abgesehen von der wichtigen Geschichte der "Kleist" liefert Kratz in dem kleinen Aufsatz über die "Schloßgesessenen" einen außerordentlich wertvollen Beitrag zur allgemeinen Adelsgeschichte Pommerns. Dies unterscheidet die beiden Archivare vorteilhaft von den Forschern, bei denen allein die Familie eine Rolle spielt, während diese bei jenen immer nur als Teil des Ganzen gelten muß. Dabei wird die Geschichte einer einzelnen Familie nur ein Beispiel für allgemeine Vorgänge, vielleicht sogar zum Mittel, solche Ereignisse zu verstehen.

Um die Geschichte des Geschlechts von Kleist zu vervollständigen, übernahm der Superintendent Johann Ludwig Quandt (1801 bis 1871) die Ausarbeitung der Stammtafel. Dieser Gelehrte hatte sich mit gründlichen Untersuchungen zur älteren pommerschen Geschichte einen Namen gemacht und griff nun die von Kratz angewandten Grundsätze auf, um an Hand der guten Vorarbeiten ein ordentliches Beispiel wissenschaftlich begründeter Stammtafeln zu liefern. Aus diesen geht hervor, daß Klempin und Kratz sehr wohl die oben angegebenen Richtlinien zum Vorbild hatten."

 

Die Arbeit befasst sich im Teil II mit den politischen Kämpfen zur Zeit der Besiedlung der Länder Kolberg, Belgard, Schlawe und Stolp und die Herkunft des dortigen Adels. Im Teil III wird die rechtliche Stellung des Adels in der Zeit der Besiedlung Pommerns (1250-1350) erörtert. In Anschluss an diese allgemeinen Ausführungen befasst sich der Autor in 8 Einzeluntersuchungen mit der Herkunft verschiedener Adelsfamilien. Die 8. und letzten Einzeluntersuchung ist überschrieben:

 

Die Herkunft der Familie von Kleist
Eine Auseinandersetzung mit der Arbeitsweise des 19. Jahrhundert

aus diesem Kapitel wird im folgenden in Auszügen zitiert:

"Kratz und Quandt haben im Urkundenbuch der Familie von Kleist ausführlich ihre Arbeitsweise dargelegt und begründet. Sie beantworten die Frage nach der Herkunft der Kleist mit folgenden Ergebnissen:

1. Die 1248/49 im Herzogtum Stettin auftauchenden Gebrüder Kleist stammen aus der Altmark.
2. Sie sind mit den Clest fratres von 1289 im Lande Belgard nicht verwandt.
3. Diese Belgarder Brüder begründen Die seit dem 15. Jahrhundert im Persantegebiet sehr verbreitete Familie, die im Gegensatz zu den Brüdern von 1248/49 pomoranischer Abkunft sind, wie ihre Taufnamen beweisen.
4. Das pomoranische Geschlecht der Kleist gehört zu einer Wappensippe mit den Borcke, Bulgrin, Butzke, Böhn, Woedtke, Krankspar und Meseritz. Für alle diese Familien wird zwar keine Verwandtschaft erwiesen. So haben die Borcke, Krankspar und Meseritz nichts mit den Kleist zu tun. Aber für die anderen gilt die Abstammung von einem gemeinsamen Ahn auf Grund der Taufnamen.

Das alles soll im Folgenden erneut geprüft werden, weil in der Beweisführung zu den einzelnen Punkten nicht die notwendige Vorsicht gebraucht wurde. 1248 wird zuerst in Pommern ein Träger des Namens Kleist urkundlich genannt. Conrad Clest ist Zeuge bei Herzog Barnim von Stettin1. In demselben Jahre wird er Marschall des Herzogs. Er und sein Bruder kommen zunächst immer in Urkunden des Odergebietes vor2. Ihre Besitzungen haben östlich der Oder gelegen, wie aus der Besitzeinweisung des Klosters Kolbatz vom 16. 7. 1254 hervorgeht3. Sie werden außerdem im Lande Fiddichow4 und zu Sehlow5 als Zeugen genannt. Der Marschall besaß ein Haus in Stettin6; am 7. 4. 1269 bestimmt Conradus miles dictus Clest, daß zum Gedächtnis seines verstorbenen Bruders Bertold das Dorf Belitz, die Flur Brode, sowie vier Hufen zu Schönfeld und zu Sabes nach seinem Tode an das Kloster Kolbatz fallen sollen. Am 12. 1. 1269 erscheint Konrad zum ersten Male in der Umgebung der Markgrafen von Brandenburg8. Am 3. 9. 1273 ist er im Vertrag mit Herzog Mestwin von Danzig ebenfalls bei ihnen als Zeuge. Daraus und aus Den obigen Angaben ist zu Schließen, daß die Kleist auch in dem Gebiet s ü d l i ch von Pyritz Besitzungen hatten, mit denen sie Untertanen der Markgrafen wurden, als Barnim jene Gegenden abtreten mußte. Am 13. 8. 1284 steht Konrad ausdrücklich auf Seiten der Markgrafen10. Am 27. 1. 1289 werden in einer Urkunde Pribislaws von Belgard neben anderen die Ministerialen Cristoforus Cnuth, Prissebur, Clest fratres, Gerardus Monachus genannt11. Wir haben gehört, daß Konrads Bruder Bertold bereits 1269 tot war. Es kann sich hier also nur um ein neues Bruderpaar handeln. In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis es zu Konrad oder Bertold steht, können wir nicht entscheiden. Leider erfahren wir aus gleichzeitigen anderen Nachrichten die Vornamen der Brüder nicht; ja, die nächste Nachricht über einen Kleist findet sich erst am 13.11. 1325. Nycolaus Klest ist wahrscheinlich Bürger der Stadt Kolberg12. Vielleicht hat das Geschlecht damals im Lande Kolberg Besitzungen gehabt, denn schon 1319 wird in einer Urkunde die „Kleistbuche" (Clestesboken) erwähnt, die am Wege von Bast nach Köslin stand13. Wiederum nach vierzig Jahren, am 22. 6. 1364, tritt in der Lehnsurkunde der Krajante ein Prissebur Clest von Muttrin als Zeuge auf14. In allen neueren Stammtafeln wird dieser als der Stammvater des Geschlechtes angesehen. Seitdem fließen die Nachrichten über die Familie zwar zahlreicher, als es bis 1364 der Fall war15, aber ob es berechtigt ist, Die heutige Familie erst von diesem "Prissebur" abzuleiten, werden wir im Folgenden zu überprüfen haben. Bei den eben aufgeführten, urkundlichen Nachrichten fällt der Mangel einer Verbindung von l289 über l325 bis 1364 auf. Dem unbefangenen Beobachter würden keine Zweifel an einer Zusammengehörigkeit dieser Träger des Namens Kleist kommen, weil er weiß, daß gerade in Ostpommern die urkundlichen Quellen sehr lückenhaft sind. Der Name Kleist ist im 13. Jahrhundert selten und erscheint nur in Pommern. Der Bearbeiter der Familiengeschichte, Gustav Kratz16, hat aber in der Herkunft zwischen Conrad und Bertold Clest von 1249 einerseits und den Brüdern Prissebur und Clest vom Jahre 1289 andererseits Unterschiede festgestellt. In langen gelehrten Ausführungen sucht er seinen Standpunkt zu belegen. Deshalb beschäftigen wir uns im Folgenden mit der Herkunft des Geschlechtes Kleist; denn nach den oben aufgezählten urkundlichen Nachrichten hätte die Abstammung dieser berühmten ostpommerschen Familie klar sein müssen.

Wir wenden uns der ersten Frage zu: sind Conrad und Bertold Clest deutscher oder pomeranischer Abkunft? Mit umfangreichen und gründlichen Angaben legt Kratz dar, daß dies Brüderpaar aus der Altmark stammen wird, also deutscher Herkunft ist. Es ist die Arbeitsweise angewandt, die allein möglich zu sein scheint, wenn die Familie in ihrer Heimat nicht urkundlich namhaft wird. "

Der Autor untersucht im folgenden die Herkunft der Ritter, die in den Urkunden der Zeit genannt werden.

"Von den bis zum Jahre l243 in neun Urkunden auftretenden achtunddreißig Edlen konnte über die Herkunft folgendes bestimmt werden100 : Zwei gehörten dem pomoranischen eingeborenen Adel an; Die Herkunft von fünf Edlen ließ sich nicht bestimmen. Der Rest stammte aus deutschem Geschlecht. Davon waren sieben Ritter aus Mecklenburg, ebensoviel über die Mark nach Pommern eingewandert. Wahrscheinlich kamen außerdem vier aus dem Märkischen und fünf aus dem Mecklenburgischen. Der Weg von acht Deutschen ließ sich nicht eindeutig bestimmen.

Wenn das Ergebnis ein anderes ist, als es Kratz fand, so liegt dies daran, daß er nur auf die Familiennamen sah und auf die Wanderungsrichtung. Ihm entgingen die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen, die der Siedlungstätigkeit und der Volkstumszugehörigkeit der einzelnen Landschaften zu Grunde lagen. Vor allem berücksichtigte er nicht die Lebensschicksale desjenigen Ritters, um den es sich handelte, sondern sah auf die ganze Familie. In den fünf Jahren, die von 1243 bis zum ersten Auftreten der Kleist vergingen, hat sich das Bild nicht wesentlich verändert, das wir an Hand der oben untersuchten Familien fanden.

Da fällt auf, daß westlich der Oder die märkischen, östlich die mecklenburgischen Adelsgeschlechter vorherrschen....

Durch diesen Hinweis ist die Herkunft der Brüder Kleist nicht klarer geworden. Denn der Dorfname wandert aus der Altmark durch die Mark wie durch Mecklenburg, wo ein Wald dieses Namens urkundlich bezeugt ist. Deutschen Blutes ist das Geschlecht jedenfalls auf Grund seiner Taufnamen101. Die Untersuchung hat ergeben, daß die Frage nach der Heimat der einzelnen Geschlechter viel vorsichtiger behandelt werden muß, als es bisher geschah.

Dasselbe gilt nun von dem zweiten Punkt: Wie ist die Stelle "Prissebur, Clest fratres" zu behandeln? Welche Behauptungen lassen sich davon ableiten?"

Der Autor versucht im folgenden an Hand von Beispielen aus Urkunden, die Annahmen von Kratz zur Auslegung der Text-Passage zu widerlegen.

"Ebenso ist auch an der Stelle Prissebur, Clest fratres zu verfahren. Die Satzzeichen spielen dabei keine Rolle. Ein Prissebur kommt in jener Zeit häufig vor, wie Kratz zeigt. Die Familie Kleist, deren Name selten und nur in Pommern genannt ist, wird bis 1284 dauernd, auch im Lande Belgard genannt. Es handelt sich nicht um die Übersetzung, sondern darum, ob ihr Ergebnis unangreifbar ist oder nicht. Es wird daher sehr zweifelhaft, ob die Auslegung Kratz' ihre Gültigkeit behält. Es ist zum mindesten auch die andere Erklärung möglich, die übersetzt: ,,Prissebur, die Gebrüder Kleist".

Damit ist nicht unwiderleglich das Gegenteil dessen, was Kratz meinte, bewiesen, sondern ein „vielleicht" an die Stelle getreten, die vorher so sicher erschien. Liegt aber dann nicht jene natürliche Auslegung viel näher, die an Brüder aus der bereits früher im Belgarder Land siedelnden Familie anknüpft? Den Prissebur kennen wir auch aus anderen Nachrichten und sind nicht gezwungen, ihn für einen Bruder des Clest zu halten, wie Kratz behaupten möchte. Dazu kommt die Möglichkeit, daß der Schreiber der Urkunde die Vornamen der Kleist bei der Reinschrift vergessen haben kann. Außerdem sagen die Taufnamen nichts mehr. Bei den Oldenburg ist nachgewiesen, daß um dieselbe Zeit nur noch slawische Vornamen in einem Zweig auftreten116. Dasselbe darf bei den Kerkow vermutet werden. Die Oldenburg und Kerkow sind Familien Ostpommerns, die aus Mecklenburg stammen und offenbar in Lehnsbesitz eingeheiratet haben. Warum sollte das nicht auch bei den Kleist der Fall gewesen sein?

Leider fehlen uns gerade für das Belgarder Land die Urkunden, um den Nachweis zu führen. Im Vergleich mit den Verhältnissen anderer Landschaften Ostpommerns liegt diese Vermutung nahe. Der Mangel urkundlicher Überlieferung ist auch bei anderen Geschlechtern sehr stark. Es seien die Bone, Butzke, Gutzmerow, Hechthausen, Natzmer, Rexin, Schwave, Versen und Zart aufgeführt117. Das Siegel des Kleist von Densin weist darauf hin, daß wohl dies Geschlecht mit den Hechthausen zusammen von Belgard aus in das Innere des Landes vorgedrungen ist und Damen, Muttrin, sowie Raddatz nach 1290 erwarb. Ein Vergleich mit den Verhältnissen des Schlawe=Stolper Landes läßt sogar die Vermutung aufkommen118, als wenn die Kleist sich in pomoranische Familien eingeheiratet haben, deren Namen wir nicht kennen und im Besitz dieser innerkassubischen Güter waren. Ist dann das Eindringen volksfremder Taufnamen im deutschen Geschlecht so eigenartig ?"

Ergänzung: Genealogisches Handbuch der baltischen Ritterschaften -Kurland - Artikel zu v. Kleist

F.G. Teil II, Abt. III, S. 172 ff. Die Annahme d. wendischen Ursprunges wird in erster Reihe darauf gestützt, daß — abgesehen von den Rittern Konrad u. Bartold — sämtliche bis 1402 vorkommende Kleist's slawische Vornamen tragen, auch im 15. Jahrh, noch die meisten. Kratz belegt seine Meinung, erweislich hätten sich in jenen ersten Jahrhunderten der deutschen Einströmung in Pommern usw. die zuwandernden deutschen Adelsgeschlechter von den wendischen ganz scharf durch Führung deutscher, die wendischen durch strenge Beibehaltung slawischer Vor­namen unterschieden, mit vielen Beispielen (F.G. Teil II, Abt. III, S. 141 ff.) u. seiner Meinung von der wendischen Abstammung der v. Kleist schließen sich auch die späteren Mitarbeiter von d. Fam.Gesch. an. — Kratz (FG. Teil II, T. 174ff.) betrachtet als Stammvater der wendischen v. Kleist einen Klest, der zusammen mit seinem Bruder Prissebur i. einer Urkunde v. J. 1289 (F.G. Abt. I. Urk. 75) vorkommt. Er legt dabei die Worte d. Urkunde: „Prissebur, Clest fratres" dahin aus, daß zwei Brüder mit den Taufnamen P. u. Cl. gemeint seien u. daß der Taufname Klest später zum Familiennamen geworden sei. Es ist zwar richtig, daß solche Wandlungen vorgekommen sind, ja, daß umgekehrt schon ausgebildete Geschlechtsnamen bisweilen auch noch als Taufnamen Verwendung fanden. Aber schon früher ist Kratz' „Interpunktionsauslegung" bestritten worden, es seien vielmehr ein Prissebur (Vorname) u. 2 Brüder mit dem Geschlechtsnamen Clest gemeint u. diese Auslegung wird auch in einer sehr eingehenden kritischen Studie, die Eberhard Sauer (der Adel während der Besiedlung Ostpommerns 1250—1350, Verlag Leon Sauniers Buchhdl. Stettin 1939, S. 238 ff.) vornimmt, als sehr möglich u. damit die wendische Abstammung der von Kleist als durchaus nicht sicher nachgewiesen. Er widerlegt auch Kratz' Meinung, daß Geschlechter deutscher Abkunft in den ersten Jahrhunderten nach d. Einwanderung niemals slawische Vornamen geführt hätten, an einer Anzahl von gegenteiligen Beispielen. Vornehmlich durch Einheirat in einheimische Geschlechter dürften mehrfach so früh schon slawische Vor­namen in deutsche Familien hineingekommen, und das mag auch bei den Kleist's geschehen sein. — Der Geschlechtsname kann nach Kratz (F.G. Teil II, Abt. III. S. 132 ff.) sowohl im Deutschen (vielleicht von Kleest. Kleist -- Lanzenschaft, Lanze), wie im wendisch-slawischen (in Verwandtschaft, Ableitung oder Anlehnung an Namen — z. B. Klitz —, Flurbezeichnungen — wie des See 's Klitzse — usw.) seine Wurzeln haben. Sollte man bei deutscher Herleitung des Namens an die Knebel­spieße in der Helmzier des Kleist'schen Wappens denken dürfen? ) F.G. Abt. I, Urk. 125

Der Bearbeiter v. Mülverstedt der Forschung über das Wappen vertritt in der Familiengeschichte (F. G. Teil II, Abt. III, S.185 ff.) die Anschauung, daß die Wappentiere der Kleist nicht Füchse, sondern Wölfe darstellen; schlechte Siegelstechung u. a. m. hätten die irrige Überlieferung entstehen lassen, daß es sich um Füchse handle. Das ist möglich, sehr ähnliche Irrtümer sind nicht selten im Laufe der Jahrhunderte groß geworden.   Aber die Familie hält an der nun schon jahrhundertealten Überlieferung, ihr Wappen zeige Füchse, fest und deshalb hat es auch dabei zu verbleiben. — In der Fam.Gesch. untersuchen Kratz (F.G. Teil II, Abt III, S. 204 ff.) und v. Mülverstedt (F.G. Teil II, Abt. lll, S. 189 ff.) auch die Frage der Wappen- u. Stammesgemeinschaft der von Kleist mit anderen Geschlechtern i   Pommern.   Als wappenverwandt mit den von Kleist wird eine ganze Reihe pommerscher Adelsfamilien festgestellt, als stammesverwandt werden dagegen nur die v. Bulgrin und — vielleicht — die v. Woedtke angenommen.   Eberhard Sauers Ausführungen zur Frage des Kleistschen Wappens (a. a. O. S. 252 ff.) lassen aber auch die Stammesgleichheit mit diesen beiden Familien zum mindesten sehr zweifelhaft erscheinen.   Er mahnt mit Recht, die Frage der Wappen- und der Stammesgleichheit aufs allervorsichtigste zu behandeln.