Die Schilderung Ewald Jürgens zu seinen Experimenten

Zu seiner Entdeckung hat Ewald Jürgen am 19. Dezember 1745 folgendes Schreiben an den Professor Johann Gottlob Krüger in Halle abgeschickt, das dieser später im Anhang zu seiner "Geschichte der Erde in den allerältsten Zeiten" S. 177 abdruckte. Buchseiten

"Ew. Hochedelgeb. gelehrte Schriften vergnügen mich und alle diejenigen, welche die Gesetze der Natur nach ihren innerem Wesen kennen zu lernen begierig sind, auf ausnemende Art. Dero geschickter Vortrag ist so lebhaft, so reitzend, daß selbst diejenigen eine Liebe zur Naturwissenschaft eingeflösset wird, deren dicker Verstand sonst nicht erlaubet, auf etwas mehr, als was klingenden Nutzen bringet, acht zu haben.

Ew. Hochedelgeb. von einigen (wenigstens in Ansehung meiner) neuen Versuchen etwas zu schreiben, sollte ich dahero billiges Bedenken tragen, weil Ihnen solche vermuthlich nicht unbekandt seyn werden. Doch nehme ich den Bewegungsgrund mit daher, weil ich in anderen bisherigen, auch selbst Wincklerschen an Versuchen so fruchtbaren Schriften davon nichts gefunden habe. Versuche, welche nur zum elektrischen Spielwerk gehören, können auf mannigfaltige Art verändert werden. Aus selbigen ist sich anitzo nicht viel mehr zu machen. Sind selbige aber zu weiterer Erkäntniß der elektrischen Eigenschaften geschickt, so verdienen sie mehr Aufmerksamkeit. Ich überlasse es Dero scharfen Einsicht, ob folgende zum Teil dazu gerechnet werden können:

Experm.    1. ...

     "           2. ...

Experm.    3. Wenn ein Nagel, starker Draht rc. in ein enghälsiges Medizingläschen gestecket und electrisiret wird, so erfolgen besonders starke Wirkungen; das Gläschen muß recht trocken und warm seyn. Thut man etwas Mercur (=Quecksilber) oder Spir. Vin. (=Spiritus) hinein, so gehet alles desto besser von statten. Sobald das Gläschen  von der elektrischen Machine weggenommen wird, so äußert sich an demselben der flammende penicillus, und habe ich mit dieser kleinen brennenden Machine über 60 Schritt in dem Gemach hell gehen können.

Experm 4. Elektrisire ich den Nagel stark, welches sich an dem im Gläschen findenden Licht und herausfarenden Funken spüren lässet, so kan ich damit in eine andere Cammer gehen und Spiritum Vini oder Therebinthi (=Terpentin) anzünden.

Experm 5. Wird währenden Electrisiren der Finger oder ein Metall an den Nagel gehalten, so ist der Schlag so stark, daß Arm und Achseln davon erschüttert werden.

Experm. 6. Eine auf blauseidenen Schnüren oder Glas liegende blecherne Röhre, lässet sich durch dieses Instrument viel stärker electrisiren, als wenn es immediate durch die electris. Kugel geschiehet. Auch Spiritus lässet sich damit zünden. Ein gleiches erfolget bei einen auf dem electrischen Vierecke stehenden Menschen. Im letzteren Fall ist die Electricität stärker, wenn die electr. Machine an die lose Haut, als an die Kleider gehalten wird.

Experm. 7. Wird die blecherne Röhre (bei mir ein Tubus von 12 Fuß) auf gewöhnliche Art electrisirt, und ich halte sodann den im Gläschen befindlichen Nagel daran und fahre mit electrisirenfort, so sollte man nicht glauben, zu welcher Stärke die Electricität gebracht würde, wenn nicht die Erfarung den besten Beweis darböte.

Experm. 8. Noch habe ich eine 4 Zoll im diam. haltende, mit etwas Feuchtigkeit gefüllte gläserne Kugel genommen und das drein gefaßte metallene Instrument, welches wie eine kleine Cammer war, auf vorbeschriebene Art electrisiert und dadurch eine solche starke Electricität zu wege gebracht, daß man den herausfarenden Schlag nicht mehr als einmal auszuhalten verlanget, die Kugel muß etwas warm, und der Umfang recht trockn seyn. Spiritus lässet sich damit nicht gut anzünden. Die Erschütterung ist zu heftig, der Löffel oder ander Gefäß wird entweder aus der Hand geschlagen, oder doch der Spiritus verschüttet. Wird das Instrum. an der Stange electrisirt, so äusert sich dieselbe kraft an der Stange, it. an einen Menschen auf dem Vierecke rc. Die Electricität hat sich nach Verlauf von 24 Stunden noch sehr merklich spüren lassen. Ich bin versichert, daß bei dergleichen heftigen Funken der Herr N. N. das wiederholte Küssen mit seiner veneranda Venere wol hätte sollen bleiben lassen.


Was mir bei diesem allen am merkwürdigsten zu seyn scheint: daß sich diese starke Würkung nicht anders als in der Hand zeigen wolle. Kein Spiritus wird sich, wenn er auf dem Tische steht, zünden lassen. Electrisire ich das gemeldete Instrument noch so stark, setze es auf den Tisch und halte den Finger daran, so erfolget kein Funken, sondern nur ein feuriges Zischen. Nehme ich die Kugel ohne solche von neuen zu electrisiren wieder in die Hand, so äusert sich die vorige Stärke. Ich weiß nicht, ob die Herren Physici hierauf bereits haben acht gehabt.

P. S. Währenden Schreiben gedenke ich an eine kleine Kugel von einem Thermometro, um es damit gleichfals zu versuchen. An solcher lasse ich die Röhre 4 Zoll lang, fülle die Kugel halb mit Wasser, setze einen Draht, woran oben eine kleine bleierne Kugel befestiget, daran, etwa in dieser Form (siehe Fig.), fange an zu electrisiren, und erhalte mehr stärke, als mit einem Medizin - Gläschen. Der Schlag ist heftig, zündet Spiritum ohne Schwierigkeit an, wenn auch 100 Schritt zuvorhero damit weggehe. Das Gefäß worinne der Spiritus muß etwas breit seyn, denn sonsten der Funken in das Metall hineinschlaget; das Instrument muß so lange electrisirt werden, bis es nicht mehr zischet. Das ist eine Anzeige daß keine electr. Materie mehr darinnen befindlich, sondern nach den Waitzschen principiis alle ausgesogen ist."

Acta Societatis Physicae Experimentalis. T. 3, 1745, T. 4, 1746 Naturforschende Gesellschaft (Danzig) Entstehungsort: Danzig Entstehungsdatum: 1745

Brief von Ewald Jürgen vom 20. November 1745 auf Seite 426-429

Brief von Ewald Jürgen vom 24. Februar 1746 auf Seite 395-398

Brief von Ewald Jürgen vom 12. Mai 1746 auf Seite 418-421

Informationen  zum Ausbildungsgang von Ewald Jürgen, zusammengestellt von Feldhaus:

(Informationen zum Autor Feldhaus)

aus "Die Erfindung der Elektrischen Verstärkungsflasche durch Ewald Jürgen von Kleist" von Franz M. Feldhaus, Heidelberg 1903

"Im Album des Gymnasiums zu Neustettin findet sich unter dem 9. November 1715 die erste sichere Nachricht von Ewald Jürgen von Kleist". Mit eigener Hand hat er sich also eingetragen:

Ewaldus Georgius de Kleist, Vizow, Pom: Orient (d.h. Ost=Hinterpommern).

Jetzt findet sich dahinter von anderer Hand, vielleicht von einem der späteren Rektoren, die Worte:

Decanus Caminensis.

In Neustettin blieb er bis Ostern 1718 und ging dann nach Danzig. Hier findet sich unter dem 27. April 1718 im Album des Gymnasiums der Eintrag:

Eobaldus Georg Von Kleist equ. Pom. I. (d.h. Prima)

Hier scheint er seine Studien drei Jahre lang verfolgt zu haben, denn unter dem 20. Oktober 1721 findet sich im Album studiosorum Academiae Lugduno-Batavae zu Leyden die Immatrikulation:

Ewaldus Georgius de Kleist, Nobilis Pomeranus. 20. Jura.

Wie lange er hier die Rechte studierte, ist, wie mir der Konservator der Universitätsbibliothek, Herr Dr. P. C. Molhuysen, mitteilte, nicht mehr zu ermitteln."

 

Nicht bekannt war dem Autor der folgende Eintrag aus Leipzig, der die zeitliche Lücke besser schließt:

Matrikel der Universität Leipzig 1719: Kleist Ewald Georg eq. Pomer. Dp. Et prom. I.W. 1719 S. 2

Ewald Jürgen hat danach ab 1719 Jura in Leipzig studiert.

 

Zum weiteren beruflichen Werdegang gibt eine Urkunde der Stände des Herzogthums Hinterpommern, Alt-Stettin 1739, Aufschluss, die von Ewald Jürgen als "Ewald George" mit folgendem Zusatz mit unterzeichnet ist: Eines Hochwürdigen Dohm Capituls zu Cammin Decanus u. residierender Praelat, hinterpommerscher Landes Director u. Aßeßor des Kgl. Pommersch. Hoff Gerichts. Erbherr auf Vietzow, Wutzow, Croeßin, Latzentze, Dieck und Neuhoff. Er gehörte damit bereits zu dieser Zeit dem Hofgericht an, dessen Präsident er 1847 wurde.