Mitteilungen der K. Preußischen Archivverwaltung Heft 23
Freiwillige Gaben und Opfer des preußischen Volkes in den Jahren 1813 - 1815
Nach der amtlichen Statistik zusammengestellt von
Dr. phil. Ernst Müsebeck
Archivar am Geheimen Staatsarchiv zu Berlin
Leipzig Verlag S. Hirzel 1913
4. Immediateingabe des v. Zastrow, Repräsentanten von Pommern, des
Kammerherrn v. Podewils, des v. Bülow auf Cummerow, des Majors Louis v. Kleist
auf Protzen, Berlin 31. Dezember 1812.
Der von einer höheren Allmacht bestimmte Augenblick, wo die Macht der
Unterdrücker Preußens und Deutschlands zerstört werden sollte, ist erschienen !
— Vernichtet ward der gefürchtete Koloß, zerstört seine Heere! Entsunken ist der
stolze gallische Muth, zerrissen das Verein der sonst schrecklichen Mittel und
Kräfte zur Unterjochung der Völker.
Rußlands Heeren ward im Bewußtsein der gerechten Sache und im Gefühl ächter
Vaterlandsliebe — die willig alles opfert — der Triumph! Kußlands Siege geben
den Völkern vom Niemen bis zum Rheine die Mittel, ihre verlorene Freiheit mit
Leichtigkeit wieder zu erkämpfen.
Schöner als je geht für ganz Germanien im Morgen die belebende Sonne künftiger
Zeiten und Generationen auf, und mit entdüstertem Blicke sehen unsere Ahnen im
frohen Erwarten unsers männlichen Handelns auf uns segnend herab.
Frohe beseligende Gefühle der künftigen Freiheit — dieses edelste Gut der
Nationen — belebt jedes braven Preußens Brust, und mit gespannter Sehnsucht
erwartet er von seinem geliebten Monarchen den Wink zur Schlacht! —
Nicht brausende Leidenschaft, nicht überspannte Erwartungen berechtigen zu
diesem Verlangen. Nein! nur reifes Überlegen, nur Drang nach Freiheit, nur
Entfesselung von Schande und Druck, nur liebe zum Besten der Könige und seinen
Kindern. Nur zu sehr zeigten die schnell sich folgenden Begebenheiten, wie
Galliens eiserner Zepter die Länder regiert, wie aus dem Schoße glücklicher
Völker oft der geliebteste Regent gerissen, seine ganze Dynastie vernichtet
wurde, und wie Anhänglichkeit und Liebe der Völker zu ihrem Oberhaupte — als
Verbrechen bestraft ward! Ach! welchen Preußen durchdringt nicht tiefes
Schmerzgefühl und Schauer bei dem möglichen Gedanken — doch fort! verschwunden
ist diese angstvolle Zeit, und sichern möge uns unser vereintes kräftiges
Handeln gegen jede künftige Ge-waltthätigkeit. —
Ja! ohne dem besseren Einsehn unsers geliebten Königs vorgreifen zu wollen,
flehen wir — aus Vorsicht nur von wenig Unterzeichneten — im Namen von Hunderten
vereint aus allen Ständen im höchsten und kindlichsten Vertrauen zu unserem
Monarchen, uns zum Siege anzuführen, uns die verlorene Ehre und Freiheit wieder
erkämpfen zu lassen. — Nur schnelles Ergreifen der Waffen, nur Vernichtung des
Feindes, der stets jeden Vertrag brach und nie das gegebene Wort hielt, kann uns
auf immer gegen fremde Eindrücke sichern.
Ein Wink unsers geliebten Monarchen versammelt nicht Tausende, nein! die ganze
Nation zum Erkämpfen der verlorenen Selbständigkeit. Alle Mittel zum Kriege sind
in unserer Mitte, und ehe Frankreichs Kaiser seine Kohorten sammelt und
bewaffnet, steht Preußens siegreicher Adler am vaterländischen Rhein
aufgepflanzt! Herrmanns Enkel sind überall vom gleichen Drange zur Freiheit
beseelt und die Völker, welche unter Preußens Zepter standen. werden Alles
aufopfern, um wieder das verlorene Glück zu erlangen. — Habsburgs Fürst
verläugnet nicht sein edles Blut, während Rußlands glücklicher Kaiser auch im
Glücke nicht den früher geliebten Bundesgenossen beizustehn unterlassen wird. —
Nochmals flehen wir den besten der Könige, schnell die Waffen zu ergreifen,
damit ein wankendes Zaudern nicht dem Feinde Gelegenheit gebe, seine Kräfte
leichter zu sammeln, seine Kriegsheere von neuem in unsere Provinzen
zurückzuführen, den Kriegsschauplatz hier zu beginnen, und so die gräßlichen
Verheerungen des Krieges über unsere vaterländischen Felder von der Weichsel bis
zur Weser zu verbreiten.
O! hören Sie geliebtester König auf die Stimme Ihres Volkes, und ergreifen Sie
auf das Schleunigste die Waffen, damit der in jedes Braven Brust glühende Funke
der Vaterlandsliebe zur hohen hellen Flamme lodere, und daß nicht — was nur zu
gewiß zu erwarten ist — im Drange der empörten Rach-gefühle das Volk aus eigenem
Hochgefühl die Waffen getheilt und ungeordnet ergreife, um das schändliche Joch
seiner Feinde mächtig abzuschütteln! — Ergreifen Sie, geliebtester der Könige,
an der Spitze Ihres mächtigen Volkes die rächenden Waffen, und unserer edlen
Fürsten Ahnen werden uns unsichtbar zum sieggewohnten Kampfe begleiten, und die
Hochverklärte so angebetete Königin wird bei der Erfüllung Ihres höchsten
irdischen Wunsches — Freiheit Ihren Völkern — dem geliebten Gatten, Kindern und
Lande Segen des Himmel erflehn.
Anmerkung:
Die Eingabe ist geschrieben von dem unterzeichneten Louis v.
Kleist. Antwort mit dem königl. Bescheid Charlottenburg d. 8. Januar 1813. „Ich
schätze und ehre den Patriotismus, welcher Sie bewogen hat, Mir Ihre Vorstellung
vom 31. v. M. zu übergeben; aber eben die Gesinnungen, welche Sie Mir darlegen,
müßen auch bei dem Bewußtsein, die politischen Verhältniße nur unvollständig zu
kennen, von dem Vertrauen begleitet sein, daß Ich die besten Mittel wählen und
den rechten Zeitpunkt benutzen werde, um dem Staate seine Selbstständigkeit und
seinen Wohlstand zu sichern; sie müßen die Überzeugung mit sich führen, wie
voreilig und strafbar jeder eigenmächtige Schritt sein würde, der, statt dem
Vaterlande jene Wohlthaten zu erhalten, solches in das größte Verderben stürzen
könnte, und in jedem Fall die nachdrücklichste Ahndung nach sich ziehen würde.
Es ist Meinem Herzen höchst angenehm, unter allen Umständen auf die
Anhänglichkeit und den kräftigen Beistand treuer Ünterthanen rechnen zu können."
Abgegangen d. 8. Januar. — Geh. St. A. Rep. 74 0, D Nr. 2, Vol. I.
6. Immediateingabe des kurmärkiscken Adels, Berlin 17. Januar 1813.
Die Zeiten der Gefahr sind es, wo die Treue desjenigen Standes sich bewähren muß,
dessen ursprüngliche Pflicht und Bestimmung der Kampf fürs Vaterland war.
Erlauben Euer Majestät daher, daß der Adel der Kurmark, jetzt der ältesten
Provinz des Hohenzollerschen Hauses, sich in dieser entscheidenden Epoche, wo es
nicht nur auf Erhaltung der Selbständigkeit und des "Wohlstandes dieses
altdeutschen Regentenstammes ankommt, sondern wo zur "Wiederherstellung seines
vorigen Glanzes so lichte Aussichten sich öffnen, Höchstdero erhabenen Throne
nahe. —
Ohne Rücksicht auf die neuen Beschränkungen unserer Rechte, sondern nur
eingedenk der früheren gegenseitigen Verpflichtungen, und zurückblickend auf die
Verdienste der Ahnen in den Kriegesstürmen der Vorzeit, zum Teil noch im Besitze
unveräußerlicher Stammgüter, und daher um so tiefer und fester eingewurzelt im
vaterländischen Boden, ist uns kein Opfer zu teuer, was unser geliebter Monarch
nach dem Bedürfnisse der Zeit von uns fordert. Geruhen Ew. Majestät unsre
Bereitwilligkeit, unsre Anhänglichkeit zu jenem hohen Zwecke zu benutzen;
freudig wird jede Anstrengung durch Person und Vermögen übernommen, jede Last
getragen werden, welche uns unsern Regenten erhält und seine Gerechtsame
sichert.
Die Zeit gestattet eine Zusammenberufung aller unserer Mitbrüder nicht mehr,
aber wir kennen ihre patriotische Denkart; wir können verbürgen, daß ein
gleicher Trieb sie beseelt, daß sie gleich uns sich und das Ihrige gern zu jener
erhabenen Bestimmung darbieten werden.
Unterzeichnet haben: Louis v. Kleist auf Protzen, v. Quast auf Garz, Fr. v.
Jagow auf Rühstädt, v. Bredow auf Schwanebeck, v. d. Schulenburg auf
Lenzerwische, v. Pfuel auf Schulzendorf, v. Loeschebrand auf Selchow, v.
Schroetter auf Friedenthal, v. Jena auf Cöthen, v. Itzenplitz auf Bähnitz, v.
Goldbeck auf Blumberg, v. Bredow auf Staakow, v. Byern auf Zabakuk im
preußischen Magdeburg, v. Bredow auf Mankmuß für sich und die v. Bredow-Wagenitz,
v. Bliesen und andere Stände des Havellandes, v. Pannwitz auf Stolpe, v. Arnim
auf Beerwalde und Friedenfelde, v. Burgsdorff auf Reitwein, Podelzig und Sandow.
Anmerkung:
Die Eingabe ist geschrieben von dem unterzeichneten Louis v.
Kleist.
Antwort mit dem königlichen Bescheid, Breslau d. 14. Februar 1813 [Konzept von
Hippel] : „Ich finde in Ihrer Vorstellung vom 17. vor. Monats die Gesinnungen
der Treue und des Patriotismus wieder, der Ihre Vorfahren schon rühmlichst
ausgezeichnet hat. Ich bin überzeugt, daß auch die andern Stände Ihrer Provinz
von gleicher Bereitwilligkeit, dem "Wohl des Ganzen kostbare Opfer zu bringen,
beseelt sind. Ich rechne daher ganz auf Sie alle, sobald der Augenblick da sein
wird, der so außerordentliche Anstrengungen erfordert." — Geh. St. A. Rep. 74 0,
D Nr. 2, Vol. I.
7. Immediateingabe des Majors Louis v. Kleist auf Protzen, Berlin 20. Januar 1813.
Schon vor mehreren Tagen bat ich durch den General v. Köckeritz Ew. Majestät
allerunterthänigst, mir eine persönliche Audienz gnädigst zu bewilligen;
zugleich unterrichtete ich den General v. Köckeritz von meinem Anliegen. —
Unfehlbar wird Letzterer Ew. Majestät von meinem Gesuche unterrichtet haben,
indem er mir Tages darauf versicherte, wie Allerhöchstdieselben bei jetziger
Konjunktur noch, nichts in Rücksicht meines Gesuches entscheiden könnten.
Hierdurch be-wogen, sehe ich mich nun, wo bereits mehrere Augmentations statt
finden, ge-nöthiget, Ew. Majestät schriftlich — um auch keine Pflicht gegen
meinen geliebten Monarchen und mein Vaterland unerfüllt zu lassen — nochmals
unterthänigst zu ersuchen, mir, wenn es die Vertheidigung meines Königs und
meines Vaterlandes bedarf, entweder die Errichtung eines eigenen Korps
allergnädigst zu bewilligen, oder mich, in welcher Art es Ew. Majestät befehlen,
zum allgemeinen Endzweck als thätiges Mittel zu gebrauchen. Die lebhaften
Gefühle meiner nichts zu verändernden Anhänglichkeit an Allerhöchstdero Person
und der Drang, meinem Vaterlande nützlich zu werden, lassen mich nur wünschen,
diesem hohen Zweck mein Dasein und Leben zu weihen. Da ich so viel eigenes
Vermögen besitze, um meine Dienste während dem Kriege, während welcher Zeit ich
nur allein dienen würde, ohne Gehalt zu verrichten, so halte ich mich
verpflichtet, dies Ew. Majestät zuzusichern, sowie ich gleichfalls bei der
Errichtung eines eigenen Corps fast alle Bedürfnisse desselben zur benöthigten
Equipirung und Bewafnung theils selbst tagen, theils erst unter besseren
Staatsumständen ersetzt verlangen würde.
Anmerkung:
Das Schreiben blieb unbeantwortet. — Geh. St. A. Rep. 74 0, D
Nr. 2, Vol. I. — Am 2. März 1813 zeigte Louis v. Kleist von Storkow aus dem
Staatskanzler an, daß er ein komplettes freiwilliges Jägerbataillon errichtet
habe, bestehend aus 4 Kompagnieen, jede Kompagnie zu 80 Jäger, 10 Unteroffiziere
und 1 Feldwebel gerechnet; gestern habe er mit diesem Bataillon sowie mit 42
weiteren freiwilligen Jägern Berlin verlassen; er hoffe am 10. in Breslau zu
sein. — Nach einer Aktennotiz vom 9. IV. nahm der König das Bataillon in
Augenschein, so daß eine schriftliche Antwort unterblieb. Geh. St. A. Rep. 74 0,
Z Nr. 1, Vol. I.