Das öffentliche Preisausschreiben der Familie von Kleist vom 16. Juni 1857 bot mir die nächste Veranlassung, die Geschichte dieses berühmten altpommerschen Geschlechts in Angriff zu nehmen. Nachdem ich, bis dahin durch verschiedene Umstände behindert, erst im Sommer 1858 die Vorarbeiten begonnen hatte, gewann ich der Sache bald ein solches Interesse ab, dass ich mich entschloß, über den von der Familie aufgestellten gedrängten Plan in manchen Beziehungen hinauszugehen, und namentlich der Geschichte ein reichhaltiges Urkundenbuch beizufügen, das ich als das eigentliche Fundament der Geschichte betrachte, auf welches immer wieder zurückzugehen sein wird. Dies Urkundenbuch erstand neben der Ansammlung des Materials für den eigentlichen historisch- biographischen Theil, und konnte bereits im Sommer 1861 der Geschichts- Commission der Familie fertig vorgelegt werden, welche demselben die Genehmigung ertheilte. Es war zwar anfangs meine Absicht gewesen, den Druck desselben bis zur Vollendung des historisch- biographischen Theils aufzuschieben, und es diesem als zweiten Theil beizufügen allein schon bei der Erwägung, dass in dem historischen Theil vielfach Gelegenheit genommen werden muß, auf Seitenzahlen und Nummern des Urkundenbuchs Bezug zu nehmen, erschien ein voraufgehender Druck desselben als nöthig, und überdies entsprach es den übereinstimmend kundgegebenen Wünschen der Geschlechts- Mitglieder, dass die beendigten Abschnitte möglichst bald gedruckt werden möchten. Aus diesen Gründen übergebe ich schon jetzt das Urkundenbuch als ersten Theil der Geschichte des Geschlechts von Kleist der Oeffentlichkeit.
Was die Art der Zusammenstellung dieses Urkundenbuchs betrifft, so haben mich dabei folgende Gesichtspunkte geleitet. Zuvörderst erschien es zweckmäßig, einen Abschnitt mit dem Jahr 1523, dem Todesjahr Herzog Bogislavs X. von Pommern zu machen. Ich habe mit geringen Ausnahmen (vgl. S. 175. Anm. 1.) kein mir bekannt gewordenes, aus diesem Zeitabschnitt vor 1523 herrührendes Schriftstück, welches Nachrichten über Mitglieder des Geschlechts von Kleist bringt, seien es auch die scheinbar unbedeutendsten, übergangen, und zwar sind in der Regel diejenigen Urkunden, welche ein specielles und unmittelbares Interesse für Geschlechtsmitglieder haben, von solchen, oder für solche ausgestellt sind, vollständig mit- getheilt, diejenigen dagegen, in welchen ein Kleist nur als Zeuge oder Bürge auftritt, oder beiläufig erwähnt wird, in ausführlichen Regesten. - Es muß zwar zugegeben werden, dass die bloße Function als Zeuge in einer Urkunde Bogislavs X. (1474-1523) bei weitem nicht mehr das Interesse gewährt, wie in älteren Urkunden. Während in diesen Object, Ausstellungsort, Nebenzeugen etc. niemals als gleichgültig für die Person des Zeugen anzusehen sind, bestand schon. zu Bogislavs X. Zeit das Zeugenpersonal fast nur aus seinen Räthen und seiner beständigen Begleitung. Jener Vorwurf würde auch diejenigen Regesten treffen, welche allein eine Zeugenschaft des Kanzlers Jürgen Kleist, des Hauptmanns Peter Kleist etc. als fürstlicher Räthe constatiren, und einen beträchtlichen Raum in der letzten Zeit dieses Abschnitts füllen. Betrachtet man aber dagegen das urkundliche Material aus der Zeit vor Bogislav X., so ergiebt sich dies im Verhältniß zu dem, was andere altpommersche Geschlechter aufzuweisen vermögen, als ausnehmend dürftig; es würde noch weit dürftiger ausgefallen sein, wenn ich mich darauf beschränkt hätte, lediglich Urkunden, welche den Namen Kleist vorführen, zu berücksichtigen, statt, wie ich es gethan habe, auch solche heranzuziehen, mit deren Hülfe ich die weitere Ausbreitung des Geschlechts vor dem Geltendwerden des Familiennamens mit einiger Wahrscheinlichkeit verfolgen zu können glaube. Bei dieser Lückenhaftigkeit in älterer Zeit, die namentlich anfallend zwischen Nr. 75 vom J. 1289 und Nr. 83 vom J. 1364 hervortritt, wird sich die vollständige Mittheilung der Regesten aus Bogislavs X. Zeit um so mehr rechtfertigen lassen, als die hohe Bedeutung der Regierungszeit dieses Herzogs für die pommersche Heimath des Geschlechts ihnen auch für weitere Kreise ein Interesse verleihen dürfte. Für die Zeit nach dem Jahre 1523 machten sich andere Rücksichten geltend. Das urkundliche Material häuft sich jetzt progressiv in dem Maaße, dass an eine Bewältigung desselben, selbst durch kurze Regesten, nicht mehr zu denken ist, sondern eine Auswahl nöthig wird. Dennoch habe ich auch in diesem Abschnitt zu Anfang noch möglichst das rein persönliche Interesse wahrgenommen, bin aber im Fortschreiten allmählig zu der Praxis übergegangen, nur diejenigen Urkunden und Schriftstücke mitzutheilen, welche ein allgemeines Interesse für das Geschlecht haben, oder vielmehr dauernde Verhältnisse begründeten. Auch hier mußten die Grenzen enger und enger gezogen werden, je mehr man sich der Neuzeit näherte. So sind namentlich vom Schlusse des 17. Jahrhunderts ab Kaufverträge über Güter nicht mehr aufgenommen worden. Dagegen sollen diese und alle übrigen noch erheblichen Urkunden im biographischen Theil und bei den Nachrichten über den Grundbesitz an ihrer Stelle eingeflochten und in ausreichenden Auszügen mitgetheilt werden. In der Schreibweise ist den vorliegenden Originalen und Kopien auf das genauste gefolgt worden. Selbst offenbare, namentlich in den Kopien und schlechten Abdrücken häufige Irrthümer und Schreibfehler habe ich nicht corrigiren zu müssen geglaubt; ich gebe die Urkunden. vielmehr so, wie ich sie gefunden habe, und zwar jedesmal nach der zuerst genannten, als der besten zu Gebote stehenden Quelle. Indem ich diesem Princip streng gefolgt bin, bin ich mir wohl bewusst, welche Anforderungen von anderer Seite an den Abdruck von Urkunden gemacht werden, dass z. B. Waitz, Lisch u. A. theils eine Normal-Urkunden-Orthographie aufstellen, theils eine förmliche Bearbeitung der Urkunden verlangen. diesen abweichenden Principien, als deren Hauptvorzug ich allerdings den anerkenne, dass die nach denselben abgedruckten Urkunden sich etwas geläufiger lesen lassen, entgegen zu treten, dürfte hier nicht der Ort sein. Ich begnüge mich vielmehr ans die Urkundenwerke von Voigt, Riedel, Sudendorf, Klempin, und Anderer hinzuweisen, in welchen nach Principien verfahren ist, die den meinigen ähnlich sind, und bemerke nur noch, dass die von mir eingeschlagene Methode auch die Zustimmung der Mitglieder des Geschlechts von Kleist erhalten hat. Mit Dank würde ich es anerkennen, wenn man in meinem Verfahren nicht etwa ein gewisses Maaß geistiger Trägheit, vielmehr ein Gefühl der Zurückhaltung und Scheu, ich möchte sagen der Pietät gegen den vor Jahrhunderten geschriebenen Buchstaben erkennen möchte, welches mir verbietet, an dem Vorgefundenen irgend etwas zu ändern. Je offenbarer der Fehler, desto weniger dürfte übrigens eine Correctur durchaus nothwendig sein, und wiederum jede Urkunde und Regeste mit einem Schwall von Bemerkungen und Berichtigungen in Form von Anmerkungen zu begleiten, würde dem Hauptzweck des Buchs in der Regel zu fern liegen, und den ohnehin schon stark angewachsenen Band unnöthig noch mehr belasten. Nur bei der häufig sinnstörenden regellosen Interpunktion habe ich des besseren Verständnisses wegen mir einige Aenderungen erlaubt, aber gleichfalls unter möglichster Conservation des Ursprünglichen, und niemals zwischen Namen. Ferner sind ans graphischen, hier nicht weiter zu erörternden Gründen bei dem Albdruck der Urkunden in lateinischer und niederdeutscher Sprache lateinische Lettern, bei den Urkunden in hochdeutschem Dialekt seit der Mitte des 16. Jahrhunderts deutsche Lettern in Anwendung gebracht worden. Die vorliegenden Urkunden richtig zu lesen und zu entziffern habe ich mich auf das ^redlichste bemüht, aber gerade derjenige Forscher, welcher mit Ernst und Unverdrossenheit sich ähnlichen mühsamen Studien hingegeben hat, wird es zu beurtheilen wissen, wie schwer auch der Geübteste Selbsttäuschungen entgeht, und auch ich bin weit entfernt. für mich Untrüglichkeit im Lesen von Urkunden in Anspruch zu nehmen. Ich hoffe, man wird es deshalb als einen Vorzug dieses Urkundenbuchs begrüßen, dass überall der Aufbewahrungsort der mitgetheilten Urkunden so genau nachgewiesen ist, dass berechtigte Zweifel jederzeit leicht durch Selbstanschauung zu lösen sein werden. Die Mehrzahl dieser Urkunden bewahrt das Pommersche Provincial-Archiv (P. P. A.), das Altpommersche Lehns-Archiv (L. A.), und das frühere Stargarder Hofgerichts-Archiv, sämmtlich zu Stettin. Als im Zusammenhange mit den Urkunden stehend, und gewissermaßen selbst urkundliche Zeugnisse, sind diesem Bande die bemerkenswerthesten Siegel des Geschlechts von Kleist und der wappenverwandten Geschlechter auf 7 Tafeln, ferner die bei verschiedenen Gelegenheiten erfolgten officiellen Veränderungen und Vermehrungen des von Kleistschen Wappens auf 8 Farbendrucktafeln beigefügt worden. Dagegen habe ich von einem Personen- und Ortsregister für diesen schon so starken Band Abstand genommen, indem ich es für zweckmäßiger halte, dem zweiten Theile ein gemeinschaftliches Register über beide Bände beizugeben. Noch fühle ich mich gedrungen, allen denjenigen, welche zur Förderung meiner Arbeit mit Rath und That beigetragen haben, meinen wärmsten Dank auszusprechen. Wenn diese zahlreichen Gönner es mir auch nachsichtsvoll erlassen werden, ihre Namen hier einzeln aufzuführen, so glaube ich doch die Verpflichtung zu haben Se. Excellenz den wirklichen Geheimen Rath und Ober-Tribunals- Präsidenten a. D. Herrn von Kleist, den Herrn Ober- Präsidenten z. D. von Kleist-Retzow, und den Herrn Geheimen Ober- Archiv-Rath und Director der Staats- Archive, Professor Dr. von Lancizoll als die Hauptförderer und vorzüglichsten Stützen dieses Unternehmens hervorzuheben, und diesen Herren hier noch besonders meinen tiefgefühltesten und ehrerbietigsten Dank darzubringen.
Stettin, den 8. August 1862.
Gustav Adolf Kratz.