Neues preussisches Adels-Lexicon

Vierter Band P - Z, Leipzig 1837

von Leopold Zedlitz-Neukirch


Kleist, die Grafen und Herren von.
Das alte, edle Geschlecht der v. Kleist, dessen Namen seit Jahrhunderten und in neuer und neuester Zeit durch den Sänger des Frühlings und durch den Helden von Nollendorf zum Lobspruch geworden ist, gehört ursprünglich Pommern an, wo zuerst Prissebur Kleist als Herr zu Muttrin und Dahmen, und Georg als Herr zu Dübberow vorkommt. —
Aus dem Hause Muttrin war Pribislav v. K. Stiftskanzler zu Camin, und George v. K., aus dem Hause Dubberow, bekleidete dieselbe Würde bei dem Herzoge Bogislav X. — Bogislav v. K, ward im Jahre 1544 zum Bischofe zu Camin vorgeschlagen. — Im Jahre 1636 starb Wilhelm v. K. als herzogl. pommerscher Geh. Rath. —
Ewald v. K. lebte um das Jahr 1657 als kurbrandenburgischer Geh. Rath, Domdechant zu Camin und Präsident der Regierung in Hinterpommern. — Ein anderer v. K. war 1716 kurkölnischer Generalmajor und Kammerherr. — Zu den ältesten Besitzungen der v. K. gehören, wie wir schon oben bemerkten, Muttrin und Dahme , ferner Gross-Tychow, Gr. Radow, Zarnikow, Valdikow, Dallenthin, Zebbelin, Dargen, Plötzke, Nemitz, Franzen u. s. w. , sämmtlich in Pommern gelegen, sowie Stavenow in der Priegnitz, Krenzlin und Protzen im Ruppinschen, Dietersdorf, Labenz, Klitzkau u. s. w., in der Neumark. Gegenwärtig besitzen die v. Kleist in Pommern namentlich Kieckow, Schmenzin, Warnin, Damen, Kl. und Gr. Dubberow, Siedtkow, Zarnikow, Battin, Camissow, Zuchen, Dubbertech u. s. w., ebenso in der Niederlausitz die Zützener Güter.
In der preuss. Armee haben sich sehr viele Mitglieder hohen Ruhm und Ehre erworben. Wir erinnern nur an die grosse Anzahl der Kleiste, die im siebenjährigen Kriege auf dem Bette der Ehre fielen, unter ihnen der begeisterte und begeisternde Sänger des Frühlings, Ewald v. K. Sein Leben, wie sein Tod, sind zu bekannt, als dass es hier noch eines Zusatzes bedürfte. Zur höchsten militairischen Würde gelangte ausser dem unten näher erwähnten Grafen Kleist v. Nollendorf, Henning Alexander v. K., Gouverneur v. Colberg, geb. 1676 in Pommern; er commandirte in mehreren Schlachten und Belagerungen der schlesischen Kriege, und ward am 24. März 1747 zum General - Feldmarschall erhoben. Sein Tod erfolgte am 22. August 1749, und sein Sarg steht zwischen der Asche berühmter Kriegsgefährten, in dem zweiten Gewölbe der berliner Garnisonkirche. - Mit dem höchsten Ehrenzeiclien der Monarchie, mit dem schwarzen Adlerorden, waren, ausser den beiden Feldmarschällen, auch Franz Ulrich v. K., Generallieutenant und Chef des Infanterieregiments No. 27 (gest. am 13. Jan. 1757 zu Dresden an der bei Lowositz erhaltenen Wunde) und sein Sohn, der später als Gouverneur von Magdeburg so bekannt gewordene General der Infanterie, Franz Kasimir v. K., geschmückt.
Der Letztere starb 1810 zu Berlin. — Auf dem Schlachtfelde blieben namentlich auch Hans Caspar v. K., Commandeur eines Grenadierbataillons,
den eine Kanonenkugel in der Schlacht bei Hohenfriedeberg tödtete, und Friedrich Ludwig v. K., Generalmajor, der am 22. Novbr. 1757 in dem Treffen bei Breslau durch die Brust geschossen wurde. — Joachim Erdmann v. K., Commandeur eines Grenadierbataillons, wurde tödtlich verwundet aus der Schlacht von Kesselsdorf getragen. — Georg Friedrich v. K., Generalmajor, wurde bei Collin schwer verwundet. — Friedrich Wilhelm Gottfried Arndt v. K., Chef eines Husarenregiments, gehörte zu den vom Feinde am meisten gefürchteten Führern der preuss, leichten Truppen; er starb den 2. August 1767 zu Jäschkendorf bei Liegnitz im Cantonirungsquartiere, erst 42 Jahr alt. Sieben andere v. K. dienten in früherer und späterer Zeit, mit dem Range eines Generals bekleidet, in der Armee, wie noch gegenwärtig der Generallieutenant Rüchel v. K. zu Stargard, ein würdiger Enkel des tapfern, oben erwähnten Franz Ulrich v. K. Der schon oben gedachte Fr. Heinr. Ferd. Emil v. K. war am 9. April 1769 in Berlin geboren. Nach einer vortrefflichen Erziehung wandte er zuerst seine Talente im Generalquartiermeisterstabe an. In den ersten beiden Feldzügen am Rhein war er dem Fürsten v. Hohenlohe zugeteilt, dann wurde er Adjutant des General v. Möllendorf, später Commandeur eines Grenadierbataillons und 1803 als Oberst vortragender Generaladjutant Sr. Majestät. In dieser wichtigen Anstellung blieb er bis zum Jahre 1807. Ein Jahr später erhielt er als Generalmajor das Commando der niederschlesischen Brigade, und 1812 eine Anstellung in dem gegen Russland marschirenden preussischen
Hülfscorps. Der Antheil, den der unterdessen zum Generallieutenant ernannte Feldherr an dem Befreiungskämpfe nahm, ist zu bekannt, als dass er hier in allen Einzelheiten erwähnt zu werden brauchte. Im Jahre 1813 sind die Tage der Gefechte vor Halle und Wittenberg, und die Schlacht bei Bautzen, später der durch seine Ankunft herbeigeführte Sieg bei Culm und die Schlacht bei Leipzig, 1814 aber sein Antheil an den Treffen bei Champ -Aubert und Laon glänzend in die Geschichte jener Zeit eingezeichnet. Ein merkwürdiger Zeitpunkt aus dem Leben dieses hochverehrten Mannes bleiben die Tage, an welchen er als preuss. Bevollmächtigter den Waffenstillstand abschloss.
Nach der Schlacht von Culm erhielt der General v. Kleist aus der Hand seines Monarchen den schwarzen Adlerorden, und die Erinnerung
an jenen Sieg ward 1814 durch den Namen Kleist v. Nollendorf und die Erhebung in den Grafenstand in seiner Familie verewigt. Auch verlieh ihm Se. Maj. der König die Domaine Stötterlingenburg bei Halberstadt als Dotation. Nach dem zweiten pariser Frieden erhielt der Graf Kleist v. Nollendorf das General-Commando im Herzogthum Sachsen, er behielt dasselbe bis zum Jahre 1820, wo ihn seine Gesundheit nöthigte, dem Dienste zu entsagen. Bei dieser Gelegenheit schmückte ihn Se. Maj. mit der Feldmarschallswürde.
Im Jahre 1823 wurde er in den Staatsrath berufen, bald darauf aber schied er nach kurzem Krankenlager aus einem mit Ruhm erfüllten Leben. Er war ein Mann von fleckenloser Reinheit, voll Güte, Milde und Wohlthätigkeit. Seine irdischen Ueberreste ruhen in der Garnisonkirche zu Berlin. Die Wittwe des berühmten Verstorbenen, geb. v. Retzow, lebt in Halberstadt. Kinder aus dieser Ehe sind: Der königl. Landrath Graf Kleist v. Nollendorf, vermählt mit einer von Gutstädt, und die Gemahlin des Oberstlieutenants v. Laviere zu Charlottenburg. M. s. Pantheon d. preuss. Heeres, Bd. I. S. 226 u. f.
Die v. Kleist führen im silbernen, mit Gold eingefaßten Schilde zwischen einem rothen Querbalken zwei laufende rothe Füchse, und auf dem Helme drei rothe Rosen, auf deren jeder ein Knebelspiess mit seiner Spitze gerichtet ist, die Decken sind roth und silbern.
Die Grafen K. v. Nollendorf führen im silbernen Herzschilde einen rothen Balken, über und unter demselben aber einen laufenden Fuchs. Das Hauptschild ist quadrirt. Im 1. und 4. silbernen Felde steht der preussische schwarze Adler, im 2. und 3. goldenen Felde aber das Schwert mit den Lorbeerzweigen. Das Hauptschild bedeckt eine neunperlige Krone. Die beiden Bilder des Hauptschildes wiederholen sich auf dem 1. und 3. ebenso gekrönten Helme, während der mittlere die Kleistschen Rosen mit den Knebelspiessen trägt, und ebenfalls auf dieselbe Weise gekrönt ist.
Der Graf Kleist vom Loss führt durch Diplom vom 21. Jan. 1823 ein in 6 Felder getheiltes Schild. Das 1. und 4. silberne Feld enthält den preuss. schwarzen Adler, das 3. und 4. blaue Feld einen silbernen aufspringenden Löwen. Von den beiden mittleren Feldern enthält das obere oder 2. silberne die Kleistschen Füchse mit dem rothen Balken, das untere oder 5. rothe Feld den Lossischen Frosch zwischen einem grünen Kranze. Das Hauptschild ist mit einer neunperligen Krone bedeckt, und diese mit vier Helmen besetzt. Der 1. trägt den Adler sitzend, der 2. ist der Kleistsche, der 3. der Lossische Familienhelm, auf dem 4. steht der Lossische Löwe verkürzt. Fuchs und Löwe halten das Schild. Die Decken sind links schwarz und silbern, rechts blau und golden.